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Horváth in Berlin im Februar

Das zweite Lokal in Berlin, welches ich in der Woche im Februar besuchen sollte, ist das Restaurant Horváth, welches ebenso wie das Zulus Lautrec in Kreuzberg liegt, aber vor dem Lokal noch einen kleinen Vorgarten hat, wo man sich wohl im Sommer auch noch an die Gartentische setzen kann und auf einen der vielen Kanäle in Berlin blicken kann.

Ich bin auch hier pünktlich zur reservierten Zeit eingetroffen, und werde als einer der ersten Gäste freundlich empfangen und an einen Tisch geführt, der gleich neben dem größeren Raum mit Bar sich befindet. Auf dem Foto oben das Fenster links neben dem Eingang. Die Räume sind mit schulterhohen Holzverkleidungen versehen, die auf einen ehemaligen Laden für irgendwas schließen lassen, was aber bei Nachfrage sich nicht bestätigt, sondern es wohl bereits seit den 60er Jahren als Lokal eingerichtet war. Auf dem Tisch steht, bzw. liegt nicht viel herum, was aber auffällt ist ein Esswerkzeug, welches nur sehr selten zum Einsatz kommt, ein Göffel.

Im Horváth gibt es für die Menüfolge eine sehr schöne kleine Ergänzung während des Ablaufs der Menüfolge, die in einem kleinen quadratischen Kärtchen besteht, welche jeweils den einzelnen Gang betitelt, und dazu auf dem Kärtchen dann die diversen Zutaten aus dem Gang aufgeführt sind. Das mutet an wie eine nochmalige Speisekarte, die als Erinnerungsstück zum Essen beigelegt wird. Da dies konsequent für alle Speisen die auf den Tisch kommen vollzogen wird, kommen dann für ein 7 Gänge-Menp auch schon mal 9 Karten zusammen, wenn die zwei Amuse Bouche ebenso „verkartiert“ werden.

Ich habe mir während der Speisefolge ein paar kleine Notizen und Nummern auf die Kärtchen geschrieben, was für die spätere Nachvollziehbarkeit von Nutzen war. Hier also die einzelnen Gänge im Einzelnen, welche sich wie folgt darstellen. Es beginnt mit dem sogenannten Happen, der aus gebackenem Backenspeck vom Mangalica Schwein besteht und ein Amuse Bouche aus einer gekühlten Gemüsecrèmesuppe, reduziertem Rahm und gerösteten Mandeln.

Beide Entrées sind fein abgeschmeckt und zeigen sich anhand der unterschiedlichen Konsistenz auf feine Art und Weise recht passend zueinander. Dann geht es weiter mit der ersten Vorspeise, welche mit dem Titel Erdfrüchte benannt wurde. Betsehend aus Topinambur-Selleriestanmpf, Konifere Gemüszwiebeln, Marinierte Petersilienwurzel-Herzen, sowie einer Vinaigrette von Maränenkaviar und Leindotteröl.

Die Basis des Topinambur ist richtig kräftig abgeschmeckt und paßt wunderbar zu den Zwiebeln, welche von den weichen Komponenten schön ergänzt werden. Dann folgt ein typisch österreichisches Gericht mit Titel: Palatschinken. Gekochte Hühnerhaut und Marillenmarmelade, welche ergänzt wird durch Hühnermagic und Gemüsekräutersud.

Hier sollte man meinen das es vielleicht zu trivial ist einen Pfannkuchen in einem Sternelokal zu servieren, doch die geschmackliche Seite konnte durchaus überzeugen. Dann folgt ein Teller, welcher auf den Namen, Schinken und Ei hört. Beschreibung wie: Pochiertes Eischneenockerl mit Schinkenkaramell, Gedämpfter Lauchkuchen, Ragout von Champignons, Lauch und Schinkenfett.

Hier setzte sich eine sehr intensive Geschmackskomponente des Schinken mit dem wohl in den pochierten Eischnee eingearbeiteten Schinkenkaramells fort. Die Champignons spielen hier nur eine untergeordnete Rolle, und wären auch ohne diese Sauce aus Lauch und Schinkenfett hervorragend zur Geltung gekommen. Der nächste Gang stammt einmal wieder aus dem Wasser, welche den Titel Stör trägt. Einzelbeschreibung: Gegrilltes Störfilet, Krem vom Kürbiskernöl, Grüner Speck und geräucherte Essigzwiebeln.

Eine wunderbare Konsistenz des gegrillten Fisch zeigt den behutsamen Umgang auf dem Grill. Die weiteren Zutaten geben dann dabei ein paar weitere geschmackliche Nuancen dazu. Dann folgt ein Milchkalbstafelspitz rosé, der von Krem aus Suppengemüse und aus Weißbrot und Meerrettich begleitet wird, sowie von einer Blattspinat-Suppenfett-Emulsion und einem Fleischaspik nach Luise Seleskowitz. So steht es auf dem Kärtchen, welche jeweils einzeln zu den Tellern gereicht werden.

Wunderbar zart und ausgewogen gedünstetes Fleisch mit geschmacklich spitzen Gewürzkomponenten der einzelnen Krem Zubereitungen. Damit waren die Vorspeisen und Hauptgänge abgeschlossen und hinterließen bei mir ein wohliges Gefühl der ausgeglichenen Komponenten und Geschmäcker aus einer Küche die sich wohl wenig um heutige Moden und Anwandlungen der Haute Cuisine kümmert. Die Geschmacksnuancen meist leicht reduziert und wenig gewürzt erinnert es in manchen Nuancen an eine feine japanische Küche mit europäischen Zutaten. Dann folgen die 2 Desserts mit Trauben-Kraut-Granitée und einem Kürbismarzipan.

Im Einzelnen besteht dieser Teller aus Gratinée aus Trauben und Sauerkrautsaft, Rotes Traubenkernöl aus der Ölmühle Harte, Gebackener und gedämpfter Kohl sowie einem Zitronenmagic, was immer auch ein „Magic“ so sei – vielleicht magisch?

Das Kürbismarzipan besteht aus: Kürbis-Amarettocreme, Gemüseasche (die schwarzen Pulverteile auf dem Teller) und einem geeisten Fichtennadeln. Sehr elegant, fein abgestimmt und von der Vielfalt so fein reduziert, das sich hier genau die 2 Komponenten ergänzen, die sonst nichts weiter brauch, als diesen Ascheregen auf dem Tellerrand.

Das war dann der Abend im Restaurant Horváth, welches von den Speisefolgen auf eine feine Art und Weise sich ergänzten und stimmig zueinander paßten. Was mit an dem Abend nicht wirklich paßte war die Weinauswahl, auch wenn ich von Beginn an sagte, ich wolle ein paar Gläser einzeln zu dem Menü trinken, und ich die verschiedenen Tropfen alle vorher probieren durfte, war die Auswahl des Service zu den einzelnen Gängen recht unpassend und fremd. Die meisten weißen waren Orange, bzw. Naturweine, welche viel zu streng zu den fein abgeschmeckten Teller wirkten. Und bei der Auswahl der roten Sorten waren die Varianten gerade einmal 2 oder 3 Flaschen, welche nicht so wirklich in die Kategorie der Speisen paßten, was sich aber für mich auch erst am Tag später bei einem Besuch eines Weinladens in Berlin herausstellte. Gesamturteil: 17,5/20 Punkten.